Mainfähre

Fährchronik


Die Wagenmotorfähre

"STADT SELIGENSTADT"


Gemäß Erlaubnis der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes dürfen wir den Fährbetrieb in Seligenstadt auf dem Main bei km 69,6 betreiben und ausschließlich die beiden Fähranlegestellen in Seligenstadt und am gegenüberliegenden Ufer in Bayern anfahren. Grundsätzlich ist eine Längsfahrt auf dem Main für die Fähre nicht zulässig.

Die Fähre ist aus dem Seligenstädter Stadtbild nicht mehr wegzudenken. Einen kleinen Hauch von Hafenmilieu verspürt man am Anlegeplatz der oft von Möwen umschwärmten Fähre. Zu diesem Platz, eingebettet zwischen historischen Gebäuden zieht es heute noch viele Seligenstädter und Besucher der Stadt.

Im Seligenstädter Volksmund hieß die Mainfähre über Jahrhunderte hinweg nicht Mainfähre, sondern schlicht und einfach „Neewe“. Dieser Begriff war und ist auch noch in Stockstadt am Main gebräuchlich. Das Wort stammt vom mittelhochdeutschen Verb „naehen“ was „nah machen“ bedeutet. Das Hauptwort „naehe“ oder „newe“ bekam im Mittelalter die Bedeutung von „Fährschiff“ – verständlich, bringt doch eine Fähre das andere Ufer näher.

Mittlerweile hat das Übersetzen über den Main bei Seligenstadt eine jahrhunderte währende Tradition. Bereits seit dem 9. Jahrhundert ist von einer ständigen Verbindung über den Main auszugehen. Im Mittelalter besaß das Seligenstädter Kloster das Recht, Personen, Wagen und Tiere auf die andere Mainseite überzusetzen. Der Abt verlieh dieses Recht und erhielt dafür Geld oder Naturalien. Daneben musste der Fährmann   z. B. den Hörsteiner Wein aus den klostereigenen Weinbergen unentgeltlich über den Main transportieren. Im Laufe der Jahre entwickelte sich aus dieser Tradition die so genannte „Fährgerechtigkeit“ d. h. das Recht zum Betrieb der Fähre verblieb viele Jahre immer in der gleichen Familie und wurde gleich einem Erbrecht an die folgende Generation weitergegeben. 1792 verlangte der Fährmann für die Überfahrt von einer „hiesigen Person“ 2 Pfennige – von einem Fremden dagegen 1 Kreuzer.

Im Jahr 1803 wurde das Kloster aufgelöst, womit alle seine Rechte – auch das Fährrecht – auf das Großherzogtum Hessen übergingen. Das änderte jedoch nichts daran, dass die inzwischen 8 Familien die Fähre in Pacht weiter betrieben. Die Großwelzheimer Bürger zerstritten sich bald mit den Seligenstädter Fährleuten – diese waren angeblich unhöflich und unzuverlässig – so dass sich die bayerische Gemeinde im Jahr 1850 ihre eigene Fähre zulegte.

Im Jahr 1868 schließlich übernahm die Stadt Seligenstadt von den damaligen Fährleuten (Acker, Frühwein, Rückert, Beike, Burkard, Mader) für insgesamt 4.000 Gulden alle Rechte und Privilegien zur Mainfahrt. Anschließend wurde das Fährrecht an den jeweils Höchstbietenden verpachtet. So wollte man wieder Ordnung in das „Chaos“ des „Erbrechts“ hereinbekommen.

Im Jahre 1873 stellte die Stadt Seligenstadt fest, dass der zum Übersetzen benutzte alte Nachen unbrauchbar geworden war. Eine neue Fähre musste her. An einem auf dem Maingrund verankerten Seil hängend, das von 5 über den Fluss verteilten Booten getragen wurde, nannte der Volksmund das neue Gefährt die „fliegende Brücke“.

55 Jahre später hatte diese allerdings schon wieder ausgedient und man ersetzte sie durch eine Fähre, die zwar noch ohne Motor, nun aber an einem über dem Wasser von hessischer zu bayerischer Mainseite gespannten Seil befestigt war.

Nach dem 2. Weltkrieg entschloss sich Seligenstadt, die Fähre in eigener Regie zu betreiben. Man bestellte bei der Schiffsbaugesellschaft in Erlenbach ein neues, noch unmotorisiertes Fährboot, das 1957 dann zu einer freilaufenden Fähre umgerüstet wurde.

Im Jahr 1971 wurde die Fähre in Dienst genommen, wie wir sie heute kennen: 28 Meter lang und 8,40 Meter breit,
getauft auf den Namen „STADT SELIGENSTADT“ durch die Frau des damaligen Bürgermeisters Fritz Bruder.

Gebaut wurde die heutige Fähre auf einer Schiffswerft am Rhein. Bevor Sie ihre Jungfernfahrt an heutiger Stätte im Mai 1971 absolvieren konnte, musste sie in einer Nacht- und Nebelaktion von den damaligen Fährleuten vom Firmengelände der Werft „entführt“ werden.

Während der Nachtstunden übernahmen die Fährleute das Ruder der neu gebauten Fähre und hängten sie an einen gecharterten Schleppkahn, der sie in einer zweitägigen Fahrt nach Seligenstadt brachte. Diese Aktion war notwendig, weil die Werft während des Fährbaues in Konkurs geraten war und die Gefahr bestand, dass der Konkursverwalter von seinem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch gemacht hätte. Noch während der Rückfahrt nach Seligenstadt war man an Bord mit Restarbeiten und dem Anstrich beschäftigt. Nach ihrer Inbetriebnahme im Mai 1971 ist die Fähre bis zum heutigen Tag im Einsatz. An ihrem Betrieb wurde sie nur durch Hochwasser und in sehr kalten Wintern durch Eisgang gehindert.

Nach fast 40 Jahren schwergängiger Handsteuerung wurde im Jahre 2009 eine elektronische und hydraulische Steuerung installiert. Das Manövrieren zwischen den beiden Anlegestellen wird jetzt mit Hilfe von zwei Joysticks erledigt. Die Steuerungsfunktionen umfassen zum einen die Drehzahlverstellung der beiden Antriebsmotoren sowie die Richtungseinstellung der beiden Antriebe an denen die Schiffspropeller installiert sind.

Die letzte Generalüberholung mit Aufenthalt im Trockendock erfolgte im März 2015, wobei außer den notwendigen Inspektionsarbeiten auch die Überholung der beiden im Jahre 2005 neu installierten Antriebsmotoren erfolgte.

Dem Engagement der Seligenstädter Fährmannschaft mit Unterstützung der Bauhof-Mannschaft ist es zu verdanken, dass durch technische Defekte bisher keine längeren Ausfallzeiten resultierten. Für fast alle Notfälle werden die benötigten Ersatzteile bereitgehalten. Bisher erhielten wir die behördliche Fahrerlaubnis stets ohne größere Mängellisten, so dass unser Fährpatent immer verlängert wurde.