Die am städtischen Stadion neu gebaute Kita „Emmy Stein“ hat unter der Trägerschaft der Erasmus Offenbach gGmbH planmäßig am 1. Oktober ihren Betrieb aufgenommen. Das war willkommener Anlass für Bürgermeister Dr. Daniell Bastian im Namen des Magistrats der Einhardstadt Seligenstadt zu einer offiziellen Einweihungsfeier in den Neubau zu laden. Am Freitag dem 24. Oktober steuerten entsprechend viele Gäste, aus dem öffentlichen Leben, Vertretende der Trägerschaft, der Seligenstädter Kita-Leitungen sowie der ausführenden Firmen genau wie Familien der bereits dort betreuten Kinder, die schöne Adresse „Am Schwimmbad“ an.

Für eine auf der Gästeliste war die Anreise besonders lang. Die Künstlerin und Malerin Lauren Bergman kam eigens für die Einweihung aus den USA angereist und hatte ein ganz besonderes Bild im Koffer. Eines, dass der neuen Kita den Namen und ein Gesicht gibt. Die US-amerikanische Künstlerin fertigte ein Porträt des namengebenden jüdischen Seligenstädter Mädchens Emmy Stein an und übergab es persönlich.
Das Bild mit dem berührenden Mädchengesicht wird einen würdigen Platz im Eingangsbereich erhalten, zusammen mit einer Erläuterung.
Es war der ausdrückliche Wunsch des Trägers, der Erasmus gGmbH, dass die Kita den Namen eines jüdischen Kindes, das in Seligenstadt gelebt hat und dem Holocaust zum Opfer gefallen ist, erhält. Der Vorschlag stieß bei der Stadt Seligenstadt auf große Zustimmung und man wählte gemeinsam Emmy Stein, als das jüngste in Seligenstadt geborene und bis zu seiner Deportation in Seligenstadt lebende Kind, aus. Vor ihrem ehemaligen Wohnhaus in der Aschaffenburger Straße 2 in unmittelbarer Nähe des Rathauses liegen in Erinnerung an sie und ihre Familie sogenannte Stolpersteine.

Bürgermeister Dr. Daniell Bastian begrüßte die Anwesenden und gab eine kurze Rückschau auf die vergangenen viereinhalb Jahre, angefangen von der Idee über die Planung und dem Bau bis hin zur Eröffnung. Zur Erläuterung des Konzepts übergab der Rathauschef an den Träger. Rolf Schmidt, Geschäftsführer der Erasmus Offenbach gGmbH, betonte die große Aufnahmefähigkeit von kleinen Kindern, für die eine dort gelebte Mehrsprachigkeit keinerlei Probleme aufwerfe. Zu Tränen gerührt griff er die Namensgebung auf und betonte die außergewöhnlich gute Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung.

Hildegard Haas der IG Synagogenplatz erzählte unter großer Ergriffenheit angesichts des so lebendig gemalten Kindergesichts auf der Staffelei hinter ihr von Emmys nicht mal ganz acht Jahre währenden Lebens. Sie betonte angesichts des aktuell wieder aufkommenden Antisemitismus die Wichtigkeit, sich an das Unrecht zu erinnern, was rund einer Million unter der Naziherrschaft ermordeter Kinder widerfahren ist.

Die anwesende Künstlerin Lauren Bergman konzentriert sich bei ihren Arbeiten auf die Schaffung fantasievoll-realistischer Gemälde, die auf historischen Momentaufnahmen junger Frauen und Mädchen basieren, die im Holocaust ermordet wurden. Die Entstehung des Porträts von Emmy Stein sei für sie ein zutiefst nachdenklicher Prozess gewesen. Sichtlich angefasst bedankte sie sich bei den Verantwortlichen der Stadt und des Trägers, das die Geschichte Emmy Steins wieder lebendig wird. Sie zeigte sich zuversichtlich, dass die Verbindung mit diesem einen Mädchen die Herzen mehr verändern kann, als die Fakten und die Schrecken und Zahlen der Geschichte. Lauren Bergman sieht die Kunst und das Geschichtenerzählen als Katalysatoren, die das Publikum über Fakten und Statistiken hinausführen.

Am 22. November veranstaltet die Stadt Seligenstadt einen allgemeinen Tag der offenen Kita-Türen, an dem sich auch die Emmy Stein-Kita beteiligt und für alle Interessierten offensteht.
Die neue Kita am städtischen Stadion steht unter der Trägerschaft der Erasmus Offenbach gGmbH, die mit einem mehrsprachigen Konzept die ohnehin schon vielfältige Betreuungslandschaft in Seligenstadt noch bereichert. Die Einrichtung bietet Platz für rund 110 Kinder im Vorschulalter (zwei Krippengruppen, zwei altersgemischte Gruppen und zwei Gruppen für 3 bis 6-jährige Kinder).
„Mit dem Start der neuen Einrichtung schaffen wir in Seligenstadt ein ausreichendes Angebot an Betreuungsplätzen - eine positive Nachricht für alle Familien vor Ort!“, so Bürgermeister Dr. Bastian. „Wir haben trotz sehr angespannter Haushaltslage in den vergangenen Jahren erheblich in den Ausbau der Kinderbetreuung investiert. Die Familien in Seligenstadt profitieren nun von einem qualitativ hochwertigen und vielfältigen Betreuungsangebot für ihre Kinder.“
Emmy Stein wurde am 23.11.1934 geboren. Sie war die Tochter von Berthold und Erna Stein und hatte noch zwei ältere Brüder. Der Großvater, Abraham Stein, war sehr viele Jahre Vorsitzender der jüdischen Gemeinde in Seligenstadt. Der Vater, Berthold Stein, betrieb in der Kaiser-Karl-Straße eine Perlenstickerei. Am 17. September 1942 wurde die Familie mit 38 anderen jüdischen Mitbürgern zunächst nach Darmstadt gebracht und am 30.09.1942 direkt in das Vernichtungslager Treblinka transportiert. Ihr Todesdatum wird mit Oktober 1942 in Auschwitz angegeben.

